Riesenmaulhai

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Übertrieben. Groß. Maulig.

Unterschiede

Es beginnt in irgendeiner ostdeutschen Kleinstadt, vielleicht in Coswig, eingekeilt zwischen Dresden und Meißen. Kofi, der Protagonist dieser Geschichte, ist West-Afrikaner.
Er ist 21 Jahre alt, und gebildet. Er besuchte in seiner Heimat ein deutsches Institut und wurde wiederholt Jahrgangsbester. Eines Tages gewann er ein Stipendium, dass es ihm erlaubte für zwei Wochen Sprachurlaub in Dresden zu verbringen. Er nutzte diese zwei Wochen für das Klügste das ihm einfiel. Er stellte Asylantrag.
„Es war eine ganz seltsame Situation“ erinnert sich Kofi, „niemand wollte mich wirklich ernst nehmen, weil ich Deutsch sprach. Nach einer Weile erklärte ich aber die Probleme in meiner Heimat, dass Menschen verschwinden, dass kluge Menschen verschwinden, und dass ich in Gefahr bin.“ Man gewährte Kofi Asyl, aber anders als er erhofft hatte, bedeutete das für ihn keine Freiheit. Er durfte nicht in Dresden bleiben, sondern wurde nach Coswig gebracht.
„Hier im Gewerbegebiet, wo die Dresdner Straße zur Meißner Straße wird, hier ist die Grenze. An dieser Haltestelle müssen wir aussteigen. Weiter dürfen wir nicht. Wir können hier in Coswig nur eine Haltestelle weit fahren.“ Was viele Einheimische nicht wissen: Der Aufenthaltstitel eines Asylbewerbers ist nicht auf die gesamte Bundesrepublik, sondern lediglich auf einen Kreis beschränkt. „Residenzpflicht“ heißt das. Die Bewerber im Asylbewerberheim in Coswig dürfen also weder nach Meißen, noch nach Dresden.
Fast zwei Jahre hielt er sich an die Regeln, konnte er nicht arbeiten, legte er seine Tage irgendwie um. „Es ist wie wenn man nicht einschlafen kann. Man weiß, dass irgendwann das Morgen, die Zukunft kommen wird und das Warten endet, aber es passiert einfach nichts. Und jeder Monat, jeder Tag fühlt sich an wie sich frustriert auf die andere Seite zu wälzen.“
Eines Tages lernte Kofi ein Mädchen kennen. Sie war aus Andorra, und sie hieß Melitta, hatte also an eigener Pore erfahren, was Ausgrenzung bedeutet. Die junge Andorranerin war abenteuerlustig, und rannte bei Kofi selbstverständlich offene Türen ein, als sie ihn zu einem Kurztrip nach Dresden überredete. „Wir wollten mit dem Bus fahren, und Melitta, die abgebrühte, hatte einen guten Plan.“ Kofi trug an diesem Tag eine Kapuze und stieg mit Melitta knutschend an der eigentlichen „Endhaltestelle“ ein. Leider durchschaute der Busfahrer das Schauspiel und bat – ganz nach Vorschrift, und ganz in seiner sächsischen Art – nach dem Ausweis des Afrikaners.
„Der is doch ausm Tögo!“ spuckte er.
„Nur weil er schwarz ist?“ entgegnete Melitta.
„Babiere her!“ spuckte der Busfahrer – unterdessen ganz und gar zum Nazi zurückgebildet – erneut.
„Nur weil ich schwarz bin?“ fragte Kofi.
„Rischtisch. Nur weil du’n Schwatter bist!“
Auch Melitta konnte die Bitterkeit nicht aus ihm herausfiltern. Jetzt war Kofi klar: Wenn er nach Dresden wollte, musste er laufen.
(Hahaha! Sprachurlaub! Dresden! Hahaha. Ha.)

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Fleisch (1)

Was genug war, war genug.
Was mit Lausbubenenstreichen angefangen hatte, hatte sich zu einem wahren Atomkrieg entwickelt. Und dabei war es Anfangs so unschuldig.
Wer den ersten Stein warf, weiß heute keiner mehr. Aber als gesichert kann angenommen werden, wer der Held, und wer der Bösewicht unserer Geschichte war.
Im Osten, der Alte, der weise und greise Held. Das Schicksal hatte ihn liebkost mit gutem Aussehen, Charme und Kreativität. Probleme und Gefahrensituation löste er mit Souveränität und Witz. Einfach ein Mann von Welt.
Im Westen: Der Klassenfeind. Ein grobschlächtiger Hüne, der seine Suppe mit der Kelle aus dem Topf isst, in der freien Natur lebt. Einer, der immer den bequemen anstatt des eleganten Weges gehen wird.
Die unschuldigen Zeiten ihrer Fehde waren mit den ersten heißen Sommertagen verstrichen.
Fein säuberlich wurden lange Fäden in Honig eingelegt und nächtens vor die Tür des Widersacher gehangen. Stühle wurden demontiert und ohne Schrauben wieder zusammengestellt. Dringend benötigte Badezimmerschlüssel im Backofen heiß gemacht. Selbstverständlich waren auch die Klassiker dabei: Verwaistes Nudelwasser wurde beinah bis zur Lauge mit Salz gesättigt, halboffene Türen waren ein fast untrügliches Zeichen für gefährdende Wassereimer von oben, Hausschlüssel wurden heimlich außer Haus gebracht, im Schlafe musste man mit dekorativen Pseudo-Verwundungen oder überraschenden Menschen-Sandwiches rechnen. „You name it“, wie die anglo-amerikanische Zunge verlautbaren würde.
Aber eines bitt’ren Tages – da hatte der Höhlenbewohner aus dem Osten es übertrieben. Er hatte zuviel riskiert.
Nämlich eine richtig dicke Rippe.
(to be continued)

Was genug war, war genug.

Was mit Lausbubenenstreichen angefangen hatte, hatte sich zu einem wahren Atomkrieg entwickelt. Und dabei war es Anfangs so unschuldig.

Wer den ersten Stein warf, weiß heute keiner mehr. Aber als gesichert kann angenommen werden, wer der Held, und wer der Bösewicht unserer Geschichte war.

Im Osten, der Alte, der weise und greise Held. Das Schicksal hatte ihn liebkost mit gutem Aussehen, Charme und Kreativität. Probleme und Gefahrensituation löste er mit Souveränität und Witz. Einfach ein Mann von Welt.

Im Westen: Der Klassenfeind. Ein grobschlächtiger Hüne, der seine Suppe mit der Kelle aus dem Topf isst, in der freien Natur lebt. Einer, der immer den bequemen anstatt des eleganten Weges gehen wird.

Die unschuldigen Zeiten ihrer Fehde waren mit den ersten heißen Sommertagen verstrichen.

Fein säuberlich wurden lange Fäden in Honig eingelegt und nächtens vor die Tür des Widersacher gehangen. Stühle wurden demontiert und ohne Schrauben wieder zusammengestellt. Dringend benötigte Badezimmerschlüssel im Backofen heiß gemacht. Selbstverständlich waren auch die Klassiker dabei: Verwaistes Nudelwasser wurde beinah bis zur Lauge mit Salz gesättigt, halboffene Türen waren ein fast untrügliches Zeichen für gefährdende Wassereimer von oben, Hausschlüssel wurden heimlich außer Haus gebracht, im Schlafe musste man mit dekorativen Pseudo-Verwundungen oder überraschenden Menschen-Sandwiches rechnen. „You name it“, wie die anglo-amerikanische Zunge verlautbaren würde.

Aber eines bitt’ren Tages – da hatte der Höhlenbewohner aus dem Osten es übertrieben. Er hatte zuviel riskiert.

Nämlich eine richtig dicke Rippe.

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(to be continued)

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Zeck

„Lyme-Disease. Nicht behandelbar. Die Ärzte meinen, es wären noch zwei Wochen.“
Er antwortete nicht. Sie verließen den Saal, er nahm ihre Tasche, trug sie am schlaffen Arm aus dem Kino. Als sie beim Aufstehen dicht an ihm vorbeiging, atmete er sie ein. So tief er konnte. Er hielt den Atem an – so lang er konnte. Es war das erste Mal, dass er sie aufnehmen wollte in sich, in seinen Erfahrungsschatz, dass er sie nicht gehen lassen wollte. Er wollte sie behalten. Nun wusste er, dass er das musste, denn nun wusste er, dass er es nicht konnte.
Noch all die Jahre die da kommen sollten, würde er immer wieder an diesen Abend denken. Als das Leben sie, die immer fortgelaufen war, plötzlich eingeholt hatte und sie anfüllte. Als das Leben plötzlich aus jeder ihrer Bewegungen zu fließen schien. Mit jedem Schluck, jedem Zug, jedem Schritt, jedem Blick, jedem Ton schien sie sich ein Denkmal setzen zu wollen, schien sie sich mit all dem Gewicht ihrer Seele hineinpressen zu wollen in die Welt, der sie bald „Adieu“ sagen sollte. Es sollten nur noch drei Tage werden.
Die Borreliose hatte seine Schwester genommen. Den Zeckenbiss hatte sie sich wohl zugezogen, als sie an einem der schönsten Sommertage des vergangenen Jahres zum Apfelbaum in ihrem weiten Garten gegangen war. Nicht dass sie Zeit gehabt hätte sich um sowas zu kümmern, nein, alles was sie wollte, war sich einen Apfel aus ihrem Garten zu nehmen. Sie brauchte einen für eine Apfel-Wasabi-Gesichtsmaske, deren Rezept sie in einer ihrer zahlreichen und wahllos gekauften Frauenzeitschriften gefunden hatte. Der Gärtner hatte sie davor gewarnt im Rock durch den Rasen zu gehen aber sie ließ sich nicht abbringen. Und jetzt, jetzt war sie aus ihrem paradiesischen Leben entlassen worden.
Als Designer von Leitern nahm er es sich als ihr Bruder zur Pflicht solchen Dramen entgegenzuwirken.
Ein fahrbare Leiter auf einem Gerüst war die Lösung, mit der man Bäume erreichen kann, ohne durch die Wiese zu müssen.
Eine Leiter quasi, die gegen Zecken hilft.
Gegen viele Zecken.

„Lyme-Disease. Nicht behandelbar. Die Ärzte meinen, es wären noch zwei Wochen.“

Er antwortete nicht. Sie verließen den Saal, er nahm ihre Tasche, trug sie am schlaffen Arm aus dem Kino. Als sie beim Aufstehen dicht an ihm vorbeiging, atmete er sie ein. So tief er konnte. Er hielt den Atem an – so lang er konnte. Es war das erste Mal, dass er sie aufnehmen wollte in sich, in seinen Erfahrungsschatz, dass er sie nicht gehen lassen wollte. Er wollte sie behalten. Nun wusste er, dass er das musste, denn nun wusste er, dass er es nicht konnte.

Noch all die Jahre die da kommen sollten, würde er immer wieder an diesen Abend denken. Als das Leben sie, die immer fortgelaufen war, plötzlich eingeholt hatte und sie anfüllte. Als das Leben plötzlich aus jeder ihrer Bewegungen zu fließen schien. Mit jedem Schluck, jedem Zug, jedem Schritt, jedem Blick, jedem Ton schien sie sich ein Denkmal setzen zu wollen, schien sie sich mit all dem Gewicht ihrer Seele hineinpressen zu wollen in die Welt, der sie bald „Adieu“ sagen sollte. Es sollten nur noch drei Tage werden.

Die Borreliose hatte seine Schwester genommen. Den Zeckenbiss hatte sie sich wohl zugezogen, als sie an einem der schönsten Sommertage des vergangenen Jahres zum Apfelbaum in ihrem weiten Garten gegangen war. Nicht dass sie Zeit gehabt hätte sich um sowas zu kümmern, nein, alles was sie wollte, war sich einen Apfel aus ihrem Garten zu nehmen. Sie brauchte einen für eine Apfel-Wasabi-Gesichtsmaske, deren Rezept sie in einer ihrer zahlreichen und wahllos gekauften Frauenzeitschriften gefunden hatte. Der Gärtner hatte sie davor gewarnt im Rock durch den Rasen zu gehen aber sie ließ sich nicht abbringen. Und jetzt, jetzt war sie aus ihrem paradiesischen Leben entlassen worden.

Als Designer von Leitern nahm er es sich als ihr Bruder zur Pflicht solchen Dramen entgegenzuwirken.

Ein fahrbare Leiter auf einem Gerüst war die Lösung, mit der man Bäume erreichen kann, ohne durch die Wiese zu müssen.

Eine Leiter quasi, die gegen Zecken hilft.

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Gegen viele Zecken.

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Was fällt euch ein?

Lieber verwirrter Geschichtsstudent, der du deinen Kurs mit Scans aus NS-Biologiebüchern beeindrucken wolltest,
Was wäre das hier für ein schöner Eintrag gewesen, wenn du doch nur Nazi gewesen wärest. Ich hätte nach Herzenslust auf dir herumhacken können. Und wieviel einfacher hättest du es mir gemacht, wenn du auch noch einen Kommentar hinterlassen hättest. Aber, ach, was soll’s, mir sind solche Details ja egal. Ich tu einfach so, obwohl ich mir nicht ernsthaft vorstellen kann, dass du so drauf bist. KEINER* ist so drauf.
Es sah so einladend aus, als ich in den Suchbegriffen, mit denen diese Seite gefunden wurde, „Jude Phänotyp“ fand. Ich malte mir aus, wie ein sechzehnjähriger Jungnazi gerade in Biologie Genetik hätte, und den schönen Begriff des Phänotyps eben neu erlernte. Wie sicher er sich fühlte, in den Weiten des Internets, wie anonym. Dessen IP auch in den Foren zu finden ist, die er mit seinen debilen Junior-Stammtischfreunden unterhält. Die ihn dort beim Namen nennen. Die mir, wenn ich mich in dem Forum anmelde und als alter Freund ausgebe, seine Handynummer geben. Die ihm aber, „damit ich ihn überraschen kann“, nichts davon erzählen. Denen ich sage, dass ich zufällig am Wochenende in der Stadt (Münster) sei, ein paar Stunden Zeit hätte und ihn gerne besuchen würde. Ob sie mir nicht seine Adresse geben könnten. Und weil ich so ein gutherziger Mensch bin, werde ich ihn bei jedem Gewinnspiel anmelden, dass es im Internet gibt, auf dass er bis an sein Lebensende mit Spampost überhäuft wird, bis seine persönliche CO2-Bilanz so düster aussieht, dass er, damit Deutschland noch die EU-Regularien erfüllen kann, ausgebürgert wird, wie alle anderen, für die Bäume gefällt werden, damit sie Werbung kriegen, die sie nicht lesen.**
Und diesen selbstgezüchteten Problemmenschen wird man ein Land schenken.
Direkt neben Israel, hoffe ich.
Man hört, die haben noch einige Hühner mit solchen wie dir zu rupfen.
* Obschon es ja Leute geben soll, die sich auch schon mal essen lassen.
** Komma-Galore! Elf Stück!
„Sex Huhn“?! Hoffentlich hast du Google-Safe-Search ausgeschaltet, Freundchen. Wobei. Hoffentlich nicht.
Verdammt, ihr habt die jungfräuliche Seele dieser Seite geschändet!

Lieber verwirrter Geschichtsstudent, der du deinen Kurs mit Scans aus NS-Biologiebüchern beeindrucken wolltest,

Was wäre das hier für ein schöner Eintrag gewesen, wenn du doch nur Nazi gewesen wärest. Ich hätte nach Herzenslust auf dir herumhacken können. Und wieviel einfacher hättest du es mir gemacht, wenn du auch noch einen Kommentar hinterlassen hättest. Aber, ach, was soll’s, mir sind solche Details ja egal. Ich tu einfach so, obwohl ich mir nicht ernsthaft vorstellen kann, dass du so drauf bist. KEINER* ist so drauf.

Es sah so einladend aus, als ich in den Suchbegriffen, mit denen diese Seite gefunden wurde, „Jude Phänotyp“ fand. Ich malte mir aus, wie ein sechzehnjähriger Jungnazi gerade in Biologie Genetik hätte, und den schönen Begriff des Phänotyps eben neu erlernte. Wie sicher er sich fühlte, in den Weiten des Internets, wie anonym. Dessen IP auch in den Foren zu finden ist, die er mit seinen debilen Junior-Stammtischfreunden unterhält. Die ihn dort beim Namen nennen. Die mir, wenn ich mich in dem Forum anmelde und als alter Freund ausgebe, seine Handynummer geben. Die ihm aber, „damit ich ihn überraschen kann“, nichts davon erzählen. Denen ich sage, dass ich zufällig am Wochenende in der Stadt (Münster) sei, ein paar Stunden Zeit hätte und ihn gerne besuchen würde. Ob sie mir nicht seine Adresse geben könnten. Und weil ich so ein gutherziger Mensch bin, werde ich ihn bei jedem Gewinnspiel anmelden, dass es im Internet gibt, auf dass er bis an sein Lebensende mit Spampost überhäuft wird, bis seine persönliche CO2-Bilanz so düster aussieht, dass er, damit Deutschland noch die EU-Regularien erfüllen kann, ausgebürgert wird, wie alle anderen, für die Bäume gefällt werden, damit sie Werbung kriegen, die sie nicht lesen.**

Und diesen selbstgezüchteten Problemmenschen wird man ein Land schenken.

Direkt neben Israel, hoffe ich.

Man hört, die haben noch einige Hühner mit solchen wie dir zu rupfen.

* Obschon es ja Leute geben soll, die sich auch schon mal essen lassen.

** Komma-Galore! Elf Stück!

Suchbegriffe

„Sex Huhn“?! Hoffentlich hast du Google-Safe-Search ausgeschaltet, Freundchen. Wobei. Hoffentlich nicht.

Bonus-Sternchen: Ich sollte mehr über Essen schreiben. DAS ist es nämlich, wonach die Leute im Internet suchen. Du hast dich geirrt, Gregory House.

Verdammt, ihr habt die jungfräuliche Seele dieser Seite geschändet!

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Schal

Sechzig werden. Für Scheering ein drohendes Desaster.
Die Zigarren schmecken schon lange nicht mehr, ebenso wie der Cognac. „Schal“ schmeckte es. „Schal“ war ohnehin ein Wort geworden, das er viel zu häufig zu verwenden gelernt hatte. „Schal“ war ihm der Geschmack des Lebens geworden. Ein bitterer Geschmack, ganz weit hinten auf der Zunge, mit noch so viel teurem Cognac nicht wegzuspülen.
Früher war es anders gewesen. Er ist nicht so töricht zu behaupten, früher sei es besser gewesen, und natürlich nicht einfacher. Aber – und bei dem Gedanken wird er zornig und drückt die Finger tief in das Leder seines Sessels – früher hatte er selbst bestimmen können. Da waren es seine Entscheidungen, die die ‚Van Laas & Scheering‘ zu einer festen Größe in der Werbebranche gemacht hatten, da war es sein dickköpfiger Wille, der ihn schließlich seinen Namen neben den des Gründers hatte setzen lassen. Früher, da hatte er seine Abende noch selbst bestimmen können, konnte er sich jede Nacht aufs Neue in das stürzen, was ihm heute so sehr fehlte – Leben. Es einfach versuchen? Ausgehen? Ach, wie lange müsste er sich rechtfertigen vor der, die er mal „Ehefrau“ genannt hatte, die er mal „Liebste“ genannt hatte, die scheinbar nur noch auf die Konservierung des Lebens aus war, nicht auf das erleben dessen. Aber der Versuch würde vielleicht wenigstens diese verdammte Stille unterbrechen. Es muss eine Woche her sein, seit sie zwischen Feierabend und dem morgendlichen Klingeln des Weckers ein Wort gewechselt hatten. Oder waren es zwei? Er wusste es nicht. Es interessierte ihn nicht. Denn alles um ihn war jetzt ’schal‘. Die diktierte Abendunterhaltung im Fernsehen widerte ihn an. Der riesige Fernseher widerte ihn an. Der immer gleiche Cognac, die immer gleiche Zigarre, aufbewahrt bei steter Temperatur, bei steter Luftfeuchtigkeit, widerte ihn an. Ein unveränderbares, unangreifbares Nichts, seichte, siechende Bedeutungslosigkeit die ihn zu ersticken drohte. Langsam. Still. Fast unbemerkt.
Aber Scheering ist nicht irgendwer. Scheering merkt das.
Morgen soll er sechzig werden, da werden sie beginnen ihn auszubooten, werden von Ruhestand sprechen und einem Schiff. Aber – Ha! – es war die Zeit gekommen, sich zu beweisen. Vor den Jungen, die nach seinem Posten gierten, nach seinem Jahresgehalt und seinen Bonuszahlungen. Er würde es ihnen zeigen. Er, der Alte, dem man, um ihm die Anstrengung zu ersparen, die Tür aufhält wie einer Frau. Entmännlicht hatten sie ihn. Aber das würde er sich nicht länger gefallen lassen. Nicht er.
Er stand auf, griff nach der Cognac-Flasche, nahm das Glas in die Hand und stellte es mit so auffälliger wie großer Geste wieder zurück. Und ging. Der sicherlich verwunderte Blick der, die er mal „Ehefrau“ genannt hatte, bestärkte ihn zusätzlich in seiner Entscheidung. Die Stille in seinem Rücken – Pah! – noch immer traute sie sich nicht die schmalen, schalen, schalen, schalen Lippen zum Reden zu bewegen. Nur alt und fett dasitzen konnte sie, später zu Bett gehen und eher aufstehen als er. Alles, nur nicht so nutzlos werden wie sie.
In seinem Büro angekommen, weckten Cognac und Elan auf der Stelle die alten Geister, eröffnete sich das freie Meer der Inspiration vor ihm, er brauchte nur aus den Ideen zu wählen, musste sie nur pflücken wie reife, sündig-rote und sündig-süße Äpfel. Er nahm das Telefon in die Hand und rief im Büro an. Wer auch immer glaubte, er wäre für den Ein-Mann ADAC-Stand morgen am Media-Markt verantwortlich, er würde es nicht mehr sein. Er, der Alt-Chef, Scheering Senior hochselbst, würde sich dafür verantwortlich zeigen. Eine richtige Show würde es geben, das könne sie ruhig so in den Email-Verteiler setzen. Das würde er kontrollieren.
Er legte auf.
Wie stark er sich fühlte.
Wie jung er sich fühlte.
Er nahm einen weiteren großen Schluck vom Cognac, direkt aus der Flasche, wie damals, als er Partner wurde, wie damals als er so spät erst Vater wurde.
Wieder das Telefon. Diesmal die Auskunft. Den ADAC wolle er sprechen. Ja die Zentrale, München, scheißegal wo. Warten. Er brauche einen Hubschrauber. Er grinste. Die Männlichkeit schoss ihm durch die Venen. Ja einen Hubschrauber. Morgen. Morgen früh. Egal wie teuer. Sie sollen ihn erstmal vor dem Laden parken, er würde sich um alles Weitere kümmern. Er lehnte sich zurück.

Zuerst kam der Schreck. Dann ein Lichtblitz. Die Flasche fiel. Zerbarst. Scheering wusste was los war.

Nur wenige Minuten später erlag er seinem Schlaganfall und wurde ebenso leblos wie die, die er einst „Ehefrau“ nannte – beide einige Tage später tot aufgefunden von der, die ihn schon lang nicht mehr ‚Papa‘ nannte.

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Und darum stand da einfach so ein Hubschrauber rum, glaub ich.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
(Danke für die Visitenkarten aus Plastik)

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Wo kommt eigentlich die Wurst her?

So durch die Hauptstadt schlacksig schlendernd und pflanzlich flanierend fallen einem doch gewisse Unterschiede zur niedersächsischen Provinz um und in Osnabrück auf.
Der wohl wichtigste Aspekt werden wohl die Menschen sein, hier vor allen Dingen die Menge. Es überrascht zwar zugegebenermaßen nur wenige, dass es in Berlin mehr Menschen gibt als im zwanzig mal kleineren Osnabrückchen, allerdings ist die unterbewusste Wahrnehmung dessen doch eine weitaus Stärkere. So tritt dann eben auch der „Man sieht den Baum vor lauter Wald nicht“-Effekt auf, und es können tatsächlich Verrückteste Dinge um einen herum passieren, die man aber seltsamerweise gar nicht als solche wahrnimmt.
(Der geneigte Leser wird sich an dieser Stelle denken: „Aha, jetzt is er am eigentlichen Punkt angelangt, genug des Geschwafels, jetzt geht’s zur Sache“. Jaja. Nix da.)
Dies ist also circa die geistige Grundhaltung, die man sich bei den dortigen Werbern immer dazudenken muss: Ein Unterbewusstsein bis zum bersten angefüllt mit Psychopathie.
Und ganz offensichtlich macht man sich beim Schlachter um die Ecke nicht sonderlich Gedanken, was die Herren Agenten so treiben, man lässt sie scheinbar Schweinescheiben schneidend gewähren, macht sich nichts weiter draus. Man kennt ja noch die alte Zunftordnung.
So ist es etwa 1988 gewesen, als ich mit meinem älteren Bruder am Arm durch den abendlichen Berliner Bezirk Steglitz lief. Ich war ehrlich gesagt leicht angespannt, hatten wir doch gerade die Flucht in den Westen geschafft um „Chucky – die Mörderpuppe“ auf der großen Leinwand zu sehen. Ich jedenfalls, mit meinem stattlichen Meter*, machte mir zum allerersten Mal in die Hose**, als mir genau auf Augenhöhe dieses Beil erschien.
„Hallo. Chucky. Nett hast du’s dir eingerichtet. Ach, ist das da eine Tierscheiben-Abschneide-Maschine, die du da so süß hinter dem Lämmchen drappiert hast? Sehr niedlich.
Ach, und Herr Metzger, sehr appetitlich, wirklich. Ich will mich gerade mit meinem ganzen Körper in eine noch warme Rinderhälfte werfen. Gibt’s bei ihnen nicht? Sollten sie sich aber vielleicht überlegen für den Erlebniseinkauf beim Fleischhacker.“
(Die Bilder sind übrigens originale Abdrücke von meiner Retina, in die sie sich sofortig einbrannten)
* Körpergröße
** Ich galt in meiner osteuropäischen Heimat als motorisches Wunder

So durch die Hauptstadt schlacksig schlendernd und pflanzlich flanierend fallen einem doch gewisse Unterschiede zur niedersächsischen Provinz um und in Osnabrück auf.

Der wohl wichtigste Aspekt werden wohl die Menschen sein, hier vor allen Dingen die Menge. Es überrascht zwar zugegebenermaßen nur wenige, dass es in Berlin mehr Menschen gibt als im zwanzig mal kleineren Osnabrückchen, allerdings ist die unterbewusste Wahrnehmung dessen doch eine weitaus Stärkere. So tritt dann eben auch der „Man sieht den Baum vor lauter Wald nicht“-Effekt auf, und es können tatsächlich Verrückteste Dinge um einen herum passieren, die man aber seltsamerweise gar nicht als solche wahrnimmt.

(Der geneigte Leser wird sich an dieser Stelle denken: „Aha, jetzt is er am eigentlichen Punkt angelangt, genug des Geschwafels, jetzt geht’s zur Sache“. Jaja. Nix da.)

Dies ist also circa die geistige Grundhaltung, die man sich bei den dortigen Werbern immer dazudenken muss: Ein Unterbewusstsein bis zum bersten angefüllt mit Psychopathie.

Und ganz offensichtlich macht man sich beim Schlachter um die Ecke nicht sonderlich Gedanken, was die Herren Agenten so treiben, man lässt sie scheinbar Schweinescheiben schneidend gewähren, macht sich nichts weiter draus. Man kennt ja noch die alte Zunftordnung.

So ist es etwa 1988 gewesen, als ich mit meinem älteren Bruder am Arm durch den abendlichen Berliner Bezirk Steglitz lief. Ich war ehrlich gesagt leicht angespannt, hatten wir doch gerade die Flucht in den Westen geschafft um „Chucky – die Mörderpuppe“ auf der großen Leinwand zu sehen. Ich jedenfalls, mit meinem stattlichen Meter*, machte mir zum allerersten Mal in die Hose**, als mir genau auf Augenhöhe dieses Beil erschien.

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„Hallo. Chucky. Nett hast du’s dir eingerichtet. Ach, ist das da eine Tierscheiben-Abschneide-Maschine, die du da so süß hinter dem Lämmchen drappiert hast? Sehr niedlich.

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Ach, und Herr Metzger, sehr appetitlich, wirklich. Ich will mich gerade mit meinem ganzen Körper in eine noch warme Rinderhälfte werfen. Gibt’s bei ihnen nicht? Sollten sie sich aber vielleicht überlegen für den Erlebniseinkauf beim Fleischhacker.“

Anmerkung: Die Bilder sind übrigens originale Abdrücke von meiner Retina, in die sie sich sofortig einbrannten

* Körpergröße

** Ich galt in meiner osteuropäischen Heimat als motorisches Wunder

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Old blue eyes

Der arische Phänotyp: Ein Bild von einem Bildnis. Genetische wie kulturelle Übertreibung. Freifahrtsschein der Ästhetik,
Und mehr noch: Lebensretter gar.
Coco Schumann beispielsweise, Jude und Jazzgitarrist der ersten deutschen Garde, und nach eigener Aussage der erste, der in Deutschland eine elektrisch verstärkte Gitarre spielte, verdankt sein langes Leben nicht nur seiner Virtuosität am Instrument (die ihn gar mit Legenden wie Billie Holiday und Louis Armstrong zusammen spielen ließ), sondern wohl auch seinem arischen Äußeren.
So berichtet er in seiner Autobiografie, er sei in den harten Jahren des NS-Regimes bei Personenkontrollen auf der Straße immer glimpflich davongekommen, da er groß, blond und blauäugig gewesen ist. Naja. Und wer ihm zu viele Fragen stellte, bekam halt einen vorn Latz (er war auch Boxer. Die gute alte Zeit eben). Allerdings, das muss man an dieser Stelle eingestehen, vor dem KZ hat es ihn nicht bewahrt.
Nichtsdestotrotz sind die Vorteile des nordischen Aussehens natürlich nicht von der Hand zu weisen, ein ganzer Schönheitsmarkt wurde um die Erfindung des Wasserstoffperoxids zur Bleichung der Haare gesponnen.
wie schön, dass die in der letzten Zeit so viel gescholtene und wenig innovative Wissenschaft jetzt offenbar auch die Lösung für alle braunäugigen hat.
Die Blondierung gibt es übrigens von Schwarzkopf.

Der arische Phänotyp: Ein Bild von einem Bildnis. Genetische wie kulturelle Übertreibung. Freifahrtsschein der Ästhetik, und mehr noch: Lebensretter gar.

Coco Schumann beispielsweise, Jude und Jazzgitarrist der ersten deutschen Garde, und nach eigener Aussage der erste, der in Deutschland eine elektrisch verstärkte Gitarre spielte, verdankt sein langes Leben nicht nur seiner Virtuosität am Instrument (die ihn gar mit Legenden wie Billie Holiday und Louis Armstrong zusammen spielen ließ), sondern wohl auch seinem arischen Äußeren.

So berichtet er in seiner Autobiografie, er sei in den harten Jahren des NS-Regimes bei Personenkontrollen auf der Straße immer glimpflich davongekommen, da er groß, blond und blauäugig gewesen ist. Naja. Und wer ihm zu viele Fragen stellte, bekam halt einen vorn Latz (er war auch Boxer. Die gute alte Zeit eben). Allerdings, das muss für alle Tritbrettfahrer gesagt werden, vor dem KZ hat es ihn nicht bewahrt.

Nichtsdestotrotz sind die Vorteile des nordischen Aussehens natürlich nicht von der Hand zu weisen, ein ganzer Schönheitsmarkt wurde um die Erfindung des Wasserstoffperoxids zur Bleichung der Haare gesponnen.

Wie schön, dass die in der letzten Zeit so viel gescholtene und wenig innovative Wissenschaft jetzt offenbar auch die Lösung für alle braunäugigen hat.

Die Blondierung gibt es übrigens von Schwarzkopf.

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Die geheime Fehde

Es war mal so schön für Hinz und Kunz.

Ein mittelmäßiges Leben ließ sich führen, unbeirrt und ungescholten, ohne viel Neid, ohne Missgunst, die sächsische Provinz lehrt eben eine gewisse Genügsamkeit. Aber mit der Wende kam das Ende dieser so unbeschwerten Zeit. Es kamen die Wessies.

Herr und Frau Mustermann waren Kosmopoliten allererster Garde. Nicht nur, dass sie wirklich jede Idiotentelefon-, Konto-, Kreditkarten- und Sonstwasnummer hatten, nein, ihre ganze Familie ist an Schnapszahl-Tagen geboren worden, sie waren so unglaublich reich, dass sie jedem ihre Kreditkarte ins frisch gekaufte Portemoinnae steckten. Sie lebten immer am ersten Haus am Platz, nicht nur die Straße, auch die Stadt in der sie wohnten wurde stets nach ihnen benannt. Das war keine Familie wie im Bilderbuch, alle Bilderbücher haben von dieser Familie abgeschrieben. Familie Mustermann zeigte, was sie vom Pöbel hielt. Der Zorn dafür wuchs in Hinz, die Wut darauf köchelte in Kunz.

„Auch die haben ihre Schwachstellen“ hatte Kunz jetzt schon seit fast einem Jahr täglich gesagt, wenn der Klassenfeind mit dem Muster-Passat* vorfuhr. Aber wie sollte man eine solche Schwachstelle in dieser Burg der Herrlichkeit finden? Nun, vielleicht war es Glück, vielleicht Zufall, aber schon bald sollte sich eine Möglichkeit offenbaren sich für die Jahre der Schmähung zu rächen.

Persönliche Überzeugung und Tradition ließen nie einen Zweifel daran aufkommen, dass der jüngste Spross der Familie Mustermann, Erich, den Dienst an der Waffe und für das Vaterland antreten sollte. Eine gewisse Affinität zum schießen hatte er schon immer gehabt, so war er zum Karneval seit Jahren stets als Cowboy gegangen, und an seinem Vierzehnten in den Schützenverein eingetreten. Die abenteuerlichen und heldenhaften Geschichten seines Vates und dessen Vaters hatten in ihm immer eine besondere Form der Aufregung geweckt. So nimmt es natürlich nicht weiter Wunder, dass die Nervosität immens war, als der Tag der – natürlich nach der Familie benannten – Musterung anstand. Denn, das wusste der athletische Erich sehr wohl, wer hier nicht besteht, der ist kein Mann, und schon gar nicht ein Mustermann – im übrigen eine Phrase, die sein Großvater Maximilian Senior oft und gern wiederholte. Nur konnte er dies nicht wissen: Der untersuchende Arzt im örtlichen Kreiswehrersatzamt war tatsächlich einfach nur irgendwer. Der blinde Fleck im Auge der Gesellschaft: Hinz.

Und was war es ihm für eine Genugtuung. Was bereitete es ihm für eine diebische Freude den Jungen zu quälen und zu traktieren. Diese Untersuchungen gelten ja gemeinhin als nicht besonders würdevoll, aber Hinz gab sich wirklich noch die allergrößte Mühe den Jungen zu behandeln wie ein wertloses Stück Vieh. Gerade achtzehn Jahre alt geworden wuchs die Anspannung in dem arglosen Jungen ins Unermessliche. Als Hinz ihn aber einen getürkten Farbenblinheits-Test machen ließ (Erich war angehalten eine Zahl zu erkennen, die es jedoch in dem Punktemeer des Tests gar nicht gab) und dazu drohte, der Junge würde als ‚untauglich‘ eingestuft werden, wenn sich bei ihm eine erblich** bedingte Farbenblindheit herausstellen würde, war die Erregung in der bis zum zerreißen angespannten Brust des Jungen nicht mehr zu ertragen – und er ließ sich einfach fallen. Er ließ laufen. Er schloss die Augen und gab sich ganz der wohligen Wärme hin, die ihm langsam die Schenkel hinunterlief.

Hinz hatte fast Mitleid mit dem Jungen, als er das Rezept ausstellte.

Aber die Häme war so süß.

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* Der Passat war natürlich absolutes Understatement

** Was umso grauenvoller war, denn der Junge musste an der Ehrlichkeit seines Vaters und Vatersvaters zweifeln

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Neue Erfindung: Brot vom Vortag

Wie anders die Zeiten doch geworden sind.
Früher(tm), als wir nichts hatten, die Winter noch
Schneemannschlachten sahen und man sich im Sommer langsam
aber sicher zwischen Baggersee und Eiswagen auflöste, da
wurden in der Werbung auch noch Inhalte vermittelt. Da wurde
Kleidung über ihren praktischen Nutzen verkauft (Goretex,
Nike Air), und Pommes hießen so, wie sie hergestellt wurden:
Fritten.
Heute, in dieser so schnelllebigen und emotionalisierten
Zeit allerdings, wird eben kein Feature, sondern ein Gefühl
an den etwaigen Kunden gebracht*.
Ein Lehrstück darin führt uns dieser Tage der schwedische
Software-Entwickler Opera vor. Was ‚Opera Unite‘ eigentlich ist, ist überhaupt nicht relevant, nichts wirklich neues. Erstaunlich ist aber, mit welchem
Mittel Opera dem gemeinen Internet Surfer sein, immerhin
kostenloses, Produkt anpreist: Es wird pure Angst
geschaffen.
Angst vor hintergründigen, bedrohlichen, unkontrollierbaren
Serverstrukturen, vor monotoner Schreibtischsklaverei, Angst
vor der Unmündigkeit und der Bedeutungslosigkeit, die
schiere existenzielle Angst der Nicht-Existenz und
Wertlosigkeit. Angst, Angst, Angst, nicht aufzuhaltender
Terror in diesen so unüberschaubaren Weiten des Internets.
Klingt unangenehm, wie ich finde. Aber ’s gibt ja
Opera, ne.
Opera Unite, so lernen wir in dem Spot, zertrennt diese
Ketten, streift uns die Fesseln ab und erlaubt uns UNSER Web
zu gestalten. Wir sind keine Anarchisten, wir sind Jeanne
d’Arc** und William Wallace, freie Herzen die für die Selbstbestimmung kämpfen, wir sind legere Anzug/Kostüm
Executives in ihrer Mittagspause, ihrem täglichen Bad in
physischer wie psychischer Erholung. Mit dieser Software
sind wir ein verliebendes Pärchen auf einer Parkbank, ein
Pol der Freiheit und Menschlichkeit in einem Sumpf
geknechteter Bücklinge***, wir sind… verdammt, ich will
zwei davon.
* Das merke man sich bitte, ich werde in zukünftigen Posts
darauf zurück kommen
** Sollte irgendwer auf die Idee kommen, die würde hier
nicht passen, werd ich eigenhändig den dazugehörigen
Wikipedia-Artikel abändern, einen Screenshot machen, und als
Beweis vorlegen. Nur damit ihr wisst, worauf ihr euch
einlasst
*** Gefunden über „Sklave Synonym“ bei Google

Wie anders die Zeiten doch geworden sind.

Früher(tm), als wir nichts hatten, die Winter noch Schneemannschlachten sahen und man sich im Sommer langsam aber sicher zwischen Baggersee und Eiswagen auflöste, da wurden in der Werbung auch noch Inhalte vermittelt. Da wurde Kleidung über ihren praktischen Nutzen verkauft (Goretex, Nike Air), und Pommes hießen so, wie sie hergestellt wurden: Fritten.

Heute, in dieser so schnelllebigen und emotionalisierten Zeit allerdings, wird eben kein Feature, sondern ein Gefühl an den etwaigen Kunden gebracht*.

Ein Lehrstück darin führt uns dieser Tage der schwedische Software-Entwickler Opera vor. Was ‚Opera Unite‘ eigentlich ist, ist überhaupt nicht relevant, nichts wirklich neues. Erstaunlich ist aber, mit welchem Mittel Opera dem gemeinen Internet Surfer sein, immerhin kostenloses, Produkt anpreist: Es wird pure Angst geschaffen.

Angst vor hintergründigen, bedrohlichen, unkontrollierbaren Serverstrukturen, vor monotoner Schreibtischsklaverei, Angst vor der Unmündigkeit und der Bedeutungslosigkeit, die schiere existenzielle Angst der Nicht-Existenz und Wertlosigkeit. Angst, Angst, Angst, nicht aufzuhaltender Terror in diesen so unüberschaubaren Weiten des Internets.

Klingt unangenehm, wie ich finde. Aber ’s gibt ja Opera, ne.

Opera Unite, so lernen wir in dem Spot, zertrennt diese Ketten, streift uns die Fesseln ab und erlaubt uns UNSER Web zu gestalten. Wir sind keine Anarchisten, wir sind Jeanne d’Arc** und William Wallace, freie Herzen die für die Selbstbestimmung kämpfen, wir sind legere Anzug/Kostüm Executives in ihrer Mittagspause, ihrem täglichen Bad in physischer wie psychischer Erholung. Mit dieser Software sind wir ein verliebendes Pärchen auf einer Parkbank, ein Pol der Freiheit und Menschlichkeit in einem Sumpf geknechteter Bücklinge***, wir sind… verdammt, ich will zwei davon.

* Das merke man sich bitte, ich werde in zukünftigen Posts darauf zurück kommen

** Sollte irgendwer auf die Idee kommen, die würde hier nicht passen, werd ich eigenhändig den dazugehörigen Wikipedia-Artikel abändern, einen Screenshot machen, und als Beweis vorlegen. Nur damit ihr wisst, worauf ihr euch einlasst

*** Gefunden über „Sklave Synonym“ bei Google

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Das Huhn ist gar (unvorteilhaft fotografiert)

Osnabrück hat ein Problem.
Wie so viele riesenhafte Kleinstädte mangelt es dem Ort an jedwedem Charisma und Gesicht. Es handelt sich um eine sehr alte Stadt, eine Stadt, die wie fast keine weitere im zweiten Weltkrieg auf Fußboden-Niveau gebracht wurde. Hier, und diese Tatsache trägt sie penetrant vor sich her, wurde der westfälische Frieden geschlossen, hier schrieb Remarque „Im Westen nichts Neues“, ach, so friedvoll, ja, eine wahre Friedensstadt. Aber wie schon die Friedenszeiten im Geschichtsunterricht kaum Erwähnung fanden, so unwichtig und unspektakulär ist eben auch die von Osnabrück ausgehende Friedlichkeit.
Dabei, oh gelangweilter Leser, tobt hier tatsächlich Krieg. Tabus brechen hier wie Bäume im einem Sturm des Wahnsinns. Denn, und das ist eine empirisch belegte Tatsache, Osnabrück sind die Werber ausgegangen. Gute Sitten oder gar die alte Schule der Werbung kennt hier keiner mehr, es ist ein No-Mans-Land ohne jede Legalität, pure Anarchie hat sich hier Bahn gebrochen. Echt jetzt.
Wie die ebenso beigefügten wie grausamen Bilder unter Beweis stellen, wird unterdessen auch schon zu extremen Mitteln wie Gen-Experimenten gegriffen. Hier werden völlig skrupellos Hühnerküken mit riesenhaften Bannern gekreuzt, nur um dann – wohl um des Schock-Effekts willen – in aller Öffentlichkeit aufgeknüpft zu werden. Flankiert von Gummihühnern die sich prima in einem Sex-Shop machen würden, offenbart sich uns ein Bild des Grauens. Dieser Imbiss eröffnet dem entsetzten Passanten, wie out Kekse doch dieser Tage geworden sind.
„Kommt auf die dunkle Seite. Wir haben Hähnchen.“

Osnabrück hat ein Problem.

Wie so viele riesenhafte Kleinstädte mangelt es dem Ort an jedwedem Charisma und Gesicht. Es handelt sich um eine sehr alte Stadt, eine Stadt, die wie fast keine weitere im zweiten Weltkrieg auf Fußboden-Niveau gebracht wurde. Hier, und diese Tatsache trägt sie penetrant vor sich her, wurde der westfälische Frieden geschlossen, hier schrieb Remarque „Im Westen nichts Neues“, ach, so friedvoll, ja, eine wahre Friedensstadt. Aber wie schon die Friedenszeiten im Geschichtsunterricht kaum Erwähnung fanden, so unwichtig und unspektakulär ist eben auch die von Osnabrück ausgehende Friedlichkeit.

Dabei, oh gelangweilter Leser, tobt hier tatsächlich Krieg. Tabus brechen hier wie Bäume im einem Sturm des Wahnsinns. Denn, und das ist eine empirisch belegte Tatsache, Osnabrück sind die Werber ausgegangen. Gute Sitten oder gar die alte Schule der Werbung kennt hier keiner mehr, es ist ein No-Mans-Land ohne jede Legalität, pure Anarchie hat sich hier Bahn gebrochen. Echt jetzt.

Wie die ebenso beigefügten wie grausamen Bilder unter Beweis stellen, wird unterdessen auch schon zu extremen Mitteln wie unwürdigen Gen-Experimenten gegriffen. Hier werden völlig skrupellos Hühnerküken mit riesenhaften Bannern gekreuzt, nur um dann – wohl um des Schock-Effekts willen – in aller Öffentlichkeit aufgeknüpft zu werden. Flankiert von Gummihühnern die sich prima in einem Sex-Shop machen würden, offenbart sich uns ein Bild des Grauens. Dieser Imbiss eröffnet dem entsetzten Passanten, wie out Kekse doch dieser Tage geworden sind.

„Kommt auf die dunkle Seite. Wir haben Hähnchen.“

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